17.04.2024, Startseite

Steinfest und seine Art des Schreibens

Barbara Grabl begrüßt Autor Heinrich Steinfest in der Stadtbücherei.
Foto: Helmut Pfeifer

Der österreichische Autor war mit „Sprung ins Leere“ in der Stadtbücherei zu Gast

Ein ebenso höflicher wie erwartungsfroher Applaus begrüßt den „ganz besonderen Gast“, als den Barbara Grabl, die Leiterin der Stadtbücherei, den österreichischen Autor Heinrich Steinfest vorstellt. Der entschuldigt sich gleich zu Beginn für seine „etwas angeraute Stimme“. Die sei nicht etwa dem „Genuss von zu viel Whisky“ geschuldet, sondern den Pollen. Ein Problem, so Steinfest, das er erst im Alter entwickelt habe. Er berichtet launig, dass er vor Kurzem 63 geworden sei und nun im Internet mit Werbung für Treppenlifte bedacht werde. Das Publikum schmunzelt.

Diese kurze Episode ist für den Abend in mehrfacher Hinsicht Programm. Steinfests Kokettieren mit dem Alter passt, wie er selbst feststellt, zu seinem neuen Roman, aus dem er in der Stadtbücherei liest. In „Sprung ins Leere“, Ende Februar im Piper Verlag erschienen (und in der Walldorfer Rundschau, Ausgabe 14/2024, ausführlich vorgestellt) spielt das Alter eine wichtige Rolle, viele der Figuren sind ältere Personen, die vorletzte Szene ist in einem Altersheim angesiedelt. „Es geht um Vorahnungen, um den Tod, es geht ganz wesentlich um die Zeit“, sagt Steinfest. Seinen eigenen Humor, den er immer wieder beweist, sieht der Autor auf Nachfrage Barbara Grabls einerseits „stark in der österreichischen Literatur verankert“, zum anderen handle es sich um „eine Komik, von der ich meine, dass sie in den Dingen steckt“. Ihm selbst verschaffe das, in der richtigen Dosierung, eine gewisse „Erleichterung“, da er sich selbst als „eher depressiv“ bezeichnet – bei der Lesung in Walldorf macht Steinfest aber einen gut gelaunten, gelösten Eindruck, liest einige Passagen aus dem neuen Roman und erzählt vor allem viel über seine ganz persönliche Herangehensweise ans Schreiben.

Barbara Grabl zitiert einleitend den Literaturkritiker Dennis Scheck, der gesagt habe, bei Heinrich Steinfest wisse man nie, was einen auf der nächsten Seite erwartet. „So ähnlich ging es mir auch beim Lesen Ihres neuen Titels“, sagt sie. „Ich weiß es oft auch nicht“, erklärt Steinfest dazu. Denn er „arbeite nicht so, dass ich meine Geschichte konstruiere“. Vielmehr habe er einen Ausgangspunkt, eine Person oder eine Szene, „dann beginnt die Geschichte zu wachsen“. Als Beispiel nennt er Georg Salzer, den Mann, der seiner Hauptfigur Klara Ingold in „Sprung ins Leere“ erst das Leben rettet, sie dann nach Japan begleitet. „Vor zwei Romanen“, so Steinfest, habe er ein anderes Manuskript nach rund siebzig Seiten abgebrochen. Darin habe dieser Georg bereits eine Rolle gespielt und sei nun in „Sprung ins Leere“ wieder aufgetaucht. Laut dem Autor keine bewusste Entscheidung. Vielmehr habe er gedacht: „Ach Gott, das ist ja der Typ, mit dem ich nicht weiter gekommen bin.“ Steinfest sagt: „Das passiert immer wieder. Es ist nicht so, dass ich mir das vorher ausdenke.“ Und mit einem Augenzwinkern: „Ich habe mich in meinem alten Text kundig gemacht, über wen ich da schreibe.“

Lesend stellt Steinfest mit österreichischem Zungenschlag seinen Zuhörerinnen und Zuhörern erst Klara, dann Georg vor, er nimmt sie mit nach Wuppertal und nach Japan, „zwei exotische Orte“, wie Dennis Scheck gesagt habe. Eine besondere Rolle spielt in „Sprung ins Leere“ die Kunst, die der früher auch als Künstler wirkende Autor geschickt mit existierenden und erfundenen Werken in die Handlung einbaut, die sich der Suche Klaras nach ihrer seit langer Zeit verschwundenen Großmutter widmet. Steinfest, der heute nach Stationen in Wien und Stuttgart aus familiären Gründen in Wilhelmsfeld lebt, berichtet zwischendurch unterhaltsam über seine Art und Weise der Recherche: „Ich bin jetzt nicht nach Japan gefahren, sondern habe aus meinem kleinen Bürofenster auf den Odenwald geblickt.“ Dank Youtube habe er aber viel vom Inneren der Shinkansen-Hochgeschwindigkeitszüge sehen können und sei zu einem Experten fürs Sumo-Ringen geworden. „Die Turniere gehen 15 Tage lang, ich konnte sie mir live ansehen.“ Das, so der Autor mit einem neuerlichen Schmunzeln, habe „viel Zeit okkupiert“. Dann kokettiert er wieder: „Ich habe versucht, das in eine poetische Sprache zu übertragen.“ Was ihm natürlich ebenso gelungen ist wie der gesamte Roman. Und nach der Lesung erweist er sich noch als „Meister im Beantworten kurzer Fragen mit langen Reden“ – ein in jeglicher Hinsicht unterhaltsamer und gewinnbringender Abend mit einem großen Autor.

Info: Heinrich Steinfest, Sprung ins Leere, Piper Verlag, 2024, ISBN 3492072151, 496 Seiten, 24 Euro.