11.08.2022, Leben in Walldorf

„Die Menschen sind unfassbar dankbar“

Anna Egorov half im Unterricht als Übersetzerin.
Foto: Stadt Walldorf

Unterricht in der Gemeinschaftsunterkunft

In der Gemeinschaftsunterkunft, die vom Rhein-Neckar-Kreis in der Industriestraße betrieben wird, war in den vergangenen Wochen vor den Sommerferien eifrig Deutschlernen angesagt. Die Stadt Walldorf hat sich im Zuge des Krieges in der Ukraine und den damit einhergehenden steigenden Flüchtlingszahlen intensiv damit beschäftigt, wie ukrainischen Kindern und Jugendlichen ein Schulunterricht möglich gemacht werden kann. Wer eine Unterbringung in der Stadt gefunden hatte, wurde auch einer entsprechenden Schule in Walldorf zugewiesen. Die Kinder und Jugendlichen in der Gemeinschaftsunterkunft des Rhein-Neckar-Kreises in der Industriestraße waren davon aber zunächst ausgeschlossen, da sie dort nur vorübergehend wohnen und auf die umliegenden Gemeinden verteilt werden.
Auf Initiative des Ersten Beigeordneten Otto Steinmann suchten die Schulleiter der Walldorfer Schulen aber auch für diese Kinder und Jugendlichen eine Lösung. Vor den Pfingstferien stand schließlich der Plan, Unterricht in der Gemeinschaftsunterkunft anzubieten. Ab Mitte Mai unterrichtete die Realschullehrerin Ina Junikow. Kurz danach kam mit Anne-Sophie Delbrück-Rupp eine Lehrerin aus der Waldschule hinzu. Die Schulsozialarbeit der Stadt unterstützte in der Organisation dieser Form des Unterrichts. Einen typischen Unterrichtsalltag konnten die beiden Lehrerinnen kaum gestalten. Schließlich war und ist die Situation der Bewohner in der Gemeinschaftsunterkunft sehr dynamisch. Es kamen immer wieder neue Kinder dazu, während andere aus unterschiedlichen Gründen nur einmal oder unregelmäßig am Unterricht teilnahmen. „Viele, die hier leben, kommen nicht unbedingt zu einem erholsamen Schlaf, immer wieder gab es Lärmproblematik in der Nacht“, zeigt Anne-Sophie Delbrück-Rupp Verständnis für die Situation der Bewohner. Trotzdem freute sie sich über alle, die an ihrem Unterricht teilnahmen. So störte es sie auch nicht, wenn sich immer wieder Erwachsene am Unterricht beteiligten, obwohl sich das Angebot vor allem an Kinder im Alter von sechs bis zehn Jahren richtete. Anna Egorov, Erzieherin an der Waldschule, unterstützte die beiden Lehrkräfte als Übersetzerin.
Im Unterricht von Anne-Sophie Delbrück-Rupp ging es vor allem darum, einfache Umgangsformen für den Alltag zu lernen: Welchen Tag haben wir? Was hast du am Wochenende gemacht? Wie geht es dir? Es wurden Vokabeln aus dem Schulalltag gelernt wie etwa „Schultasche“, „Mäppchen“, „Filzstift“ oder „Radiergummi“. Mit viel Geduld wurden die Vokabeln wiederholt, an die Tafel geschrieben oder direkt mit den Gegenständen durch Zeigen in Verbindung gebracht. Zusätzlich wurden auch Tablets im Unterricht eingesetzt, die von der Realschule ausgeliehen wurden. „Die Geräte helfen dabei, spielerisch die Sprache zu lernen“, so Anne-Sophie Delbrück-Rupp. Mit Draht und Knete hatten die Kinder außerdem haptische Elemente zur Verfügung, um Buchstaben zu formen und sich so leichter einzuprägen. Auch wenn sich die Schülerinnen und Schüler auf unterschiedlichem Sprachniveau befanden und die Lehrerinnen nicht selten improvisieren mussten, sei die Atmosphäre im Unterrichtsraum stets locker gewesen. Anne-Sophie Delbrück-Rupps Fazit der vergangenen Wochen: „Es hat viel Spaß gemacht und die Menschen sind unfassbar dankbar, dass wir den Unterricht angeboten haben.“
 Ob das Angebot nach dem Sommerferien fortgesetzt wird, wird sich je nach Situation entscheiden.