21.07.2025, Startseite
Mit dem Fahrrad von Astor bis zu Camillo

Auch die "Lutherische Brücke" war einer der Haltepunkte auf der Neubürgerradtour.
Foto: Stadt Walldorf
Auf der Neubürgerradtour der Stadt gab es viel zu sehen
Das Astorhaus kennt doch jeder. Wer ist noch nicht am Rand der Storchenwiese entlangspaziert und hat sich am Anblick von Meister Adebar erfreut? Und die Waldweide war kürzlich sogar im Fernsehen zu bewundern. Alles nichts Neues? Ganz im Gegenteil: Die jüngste Neubürgerradtour der Stadt hält für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer eine ganze Menge an spannenden Informationen bereit. Die kleine Gruppe ist bunt gemischt, die Bandbreite reicht von „frisch nach Walldorf gezogen“ bis hin zu „wir leben schon seit dreißig Jahren hier“. Alle kommen auf ihre Kosten.
Bürgermeister Matthias Renschler, Alena Müller, die Leiterin des Fachbereichs Ordnung und Umwelt, und Karla Lieberg (Fachdienst Umwelt) begleiten die Tour und haben unterwegs immer wieder Wissenswertes zu erzählen. Nach dem Start vor dem Rathaus ist das Astorhaus die erste Station. Und tatsächlich zeigt sich: Nicht jeder weiß, dass das 1854 eingeweihte Gebäude auf das Testament Johann Jakob Astors (1763-1848) zurückgeht. Der berühmte Auswanderer, der über England in die USA zog und dort mit Pelzhandel und Immobilien zum reichsten Mann seiner Zeit wurde, hatte seiner Heimatstadt Walldorf die damals stolze Summe von 50.000 Dollar vermacht und zugleich verfügt, dass das Geld armen oder alten Menschen zugutekommen soll. Anekdoten über das von seinen Nachfahren William Waldorf Astor und John Jacob Astor IV. erbaute Hotel Waldorf Astoria in New York und den dort erstmals servierten Waldorf-Salat dürfen nicht fehlen. Heute befinden sich im Astorhaus unter anderem das Standesamt, das Heimatmuseum und eine Kindertagesstätte.
Vorbei am Tom-Tatze-Tierheim geht es zur Storchenwiese, auf der sich heute abseits der Horste besonders viele Weißstörche versammelt haben. Die Wiese ist seit Kurzem ein „geschützter Landschaftsbestandteil“, was bedeutet, dass sie nur noch mit gutem Grund – etwa zur Pflege oder in Sachen Naturschutz – betreten werden darf. Die Radelnden erfahren, dass die Storchenwiese in den letzten Jahren zu einem bedeutenden Brut- und Rastgebiet für über 80 Vogelarten geworden ist und eine beachtliche Artenvielfalt aufweist. So konnten über 200 Blütenpflanzen- und mindestens 180 Insektenarten nachgewiesen werden, viele davon stehen auf der Roten Liste beziehungsweise der Vorwarnliste bedrohter Arten.
Mit einem Abstecher auf die Nachbargemarkung Sandhausen führt die Tour ins Naturschutzgebiet Zugmantel-Bandholz, in dem ebenfalls viele seltene Tiere und Pflanzen zu finden und zudem ein Teil des Dünenzugs liegt, der sich von Oftersheim über Sandhausen bis Walldorf erstreckt. Am Erdgasspeicher in der Hopfengemeinde taucht die Frage auf, woher das hier zwischengelagerte Gas denn stammt. Allgemeines Rätselraten, ehe das Internet die Antwort liefert: Es wird hauptsächlich aus Norwegen, den Niederlanden und Belgien über Pipelines nach Deutschland transportiert. Der Sandhäuser Speicher, seit 1991 in Betrieb, unterstützt das baden-württembergische Fernleitungsnetz und wird vor allem bei temperaturabhängigen, saisonalen und tageszeitlichen Schwankungen benötigt.
Zurück auf Gemarkung Walldorf erlaubt die Lutherische Brücke einen Blick in die Geschichte: Hier gingen im 18. Jahrhundert die Gläubigen über den Hardtbach zum Gottesdienst nach Leimen, weil die Lutherische Gemeinde in Walldorf keine eigene Kirche hatte. Und die Sage will es, dass um Mitternacht eine weinende verhüllte Gestalt ohne Kopf auf der Brücke auftaucht. Danach wird kurz am Totholzgarten Halt gemacht, einem für die Artenvielfalt wichtigen Gemeinschaftsprojekt von Stadt Walldorf, Kreisforstamt, Landesbetrieb ForstBW sowie der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt (FVA) im regionalen Waldschutzgebiet Schwetzinger Hardt am Fuß der Düne Hoher Stein. Um Lebensräume für die unterschiedlichsten Arten geht es auch beim Projekt Waldweide, das die Stadt Walldorf schon im Jahr 2007 gestartet hat. Hier ist durch die natürliche Beweidung mit Eseln sowie im Winter neuerdings auch mit Rindern und Ziegen eine lichte Waldgesellschaft entstanden, in der die Nährstoffe knapp sind, es wenig Wasser gibt, aber viel Licht den Boden erreicht – eine Nischenfläche für Pflanzen, die im Wald sonst keinen Platz finden, aber auch für Vögel und Fledermäuse.
Leider scheinen die beiden Esel Bella und Camillo, die erst kürzlich einen Auftritt in der SWR-Landesschau im Fernsehen hatten, heute keine Lust auf Besucher zu haben und haben sich dezent im Hintergrund versteckt. Das tut der guten Laune der Teilnehmerinnen und Teilnehmer aber keinen Abbruch, die auf dem Rückweg in die Stadt ersatzweise Fotos auf der Straußenfarm schießen und sich zum Abschluss auf Einladung des Bürgermeisters bei einem kleinen Umtrunk im Café First über die vielen neuen Eindrücke der gelungenen Neubürgerradtour unterhalten.