10.10.2023, Startseite

Mit Wunderkind Mozart schließt sich der Kreis

Das Abschlusskonzert der Walldorfer Musiktage gestalteten das Ensemble Operone und Fagottist David Petersen mit Mozart-Werken in der Stadtkirche.
Foto: Helmut Pfeifer

Abschluss der Walldorfer Musiktage mit David Petersen und dem Ensemble Operone

Zahlreiche Besucher waren zur Abschlussveranstaltung der diesjährigen Musiktage, die unter dem Motto „Wunderkinder“ standen, in die evangelische Stadtkirche gekommen. Zu Gast war das Ensemble Operone unter der Leitung von Dr. Timo Jouko Herrmann, der auch für das Programm und die Leitung der Musiktage verantwortlich zeichnet. Als Solisten konnte Herrmann Fagottist David Petersen gewinnen. Bevor die Musik das Sagen hatte, versorgte Herrmann das Publikum in gewohnter Weise wieder mit allerhand interessanten Informationen zu Komponisten und Werken.

Mit dieser letzten Veranstaltung der Musiktage schloss sich gewissermaßen der Kreis, denn mit Mozart hatten sie begonnen und endeten nun auch mit ihm. Die Teenagerjahre dieses Wunderkindes par excellence standen an diesem Abend im Mittelpunkt. Aber es erklang auch ein Werk des relativ unbekannten tschechischen Komponisten Joseph Myslivecek, das lange Zeit Mozart zugeschrieben wurde, da von ihm eine handschriftliche Abschrift überliefert ist. Herrmann ist ja bekannt dafür, vergessene musikalische Schätze zu heben, wozu ganz sicher die reizende Ouvertüre von Myslivecek gehört. Das Notenmaterial dazu sowie zu zwei weiteren Ouvertüren Mozarts hat Herrmann selbst editiert.

Den Auftakt machte die relativ unbekannte Ouvertüre zum Oratorium „Die Schuldigkeit des ersten Gebots“ KV 35, die der erst elfjährige Mozarts für den Salzburger Hof schrieb. Der zweite und dritte Teil des Oratoriums stammen von Michael Haydn und Anton Cajetan Adlgasser. Beide Teile sind jedoch verschollen. Die Ouvertüre ist ein genial komponierter, hochkomplexer philosophischer Dialog zwischen Barmherzigkeit, Gnade und Gerechtigkeit, dem Weltgeist und dem Christgeist. Mozart stellt dem kantablen Thema ein energisch wirkendes zweites Thema gegenüber. Muntere Gelöstheit mit schnellen Streicherfiguren und kraftvolle Hörner- und Oboen-Klänge wechselten sich ab. Mit frischer Musizierfreude war das Ensemble Operone unter Konzertmeisterin Britta Hofmann bei der Sache. Große Transparenz, differenzierte Dynamik und eine beeindruckende Homogenität zeichnete das Ensemble aus.

Mit 18 Jahren schrieb Mozart sein Konzert für Fagott und Orchester B-Dur KV 191. Es ist sein zweites konzertantes Werk für ein Soloinstrument und das erste für ein Solo-Blasinstrument. Die Wahl des Fagotts als Soloinstrument war für die damalige Zeit sehr ungewöhnlich. Mozart verstand es, das Fagott wunderbar zum Klingen zu bringen, und schuf so ein beliebtes Kabinettstück für jeden Fagottisten. In Sachen Beweglichkeit, Tonumfang und Klangformung werden die Möglichkeiten des Instruments fast vollständig ausgereizt. Die virtuosen und umfangreichen Kadenzen stammen aus Herrmanns Feder. Für große Begeisterung beim Publikum sorgte Fagottist David Petersen mit seinem stupend fein artikulierten Spiel. Besonders in den Ecksätzen konnte der Solist seine Virtuosität unter Beweis stellen. Mit rasanten Staccati-Läufen über drei Oktaven, irrwitzigen Trillerketten und plötzlichen Registerwechseln zwischen hellen und sonoren tiefen Tönen brachte er die kontrastreichen Klangfarben seines Instruments wunderbar zur Geltung. Den lyrischen Charakter des Mittelsatzes, eine poetische Träumerei, gestaltete er beseelt und kantabel mit Charme und Eleganz. Das Zusammenspiel mit dem Orchester glückte vortrefflich. Dirigent Herrmann hielt stets alle Fäden in den Händen und leitete seine Musiker einfühlsam und präzise.

Wenig bekannt ist Mozarts Ouvertüre zum Oratorium „La Betulia liberata“ KV 118. Das 15-jährige Wunderkind vertonte hier einen blutrünstigen Stoff mit viel Dramatik. Er behandelt die Geschichte von Judith und Holofernes aus den apokryphen Schriften des Alten Testaments. Um ihr Volk zu retten, verführt Judith Holofernes, tötet ihn im Schlaf und schlägt ihm den Kopf ab. Kein Wunder, dass Mozart hier eine ungewöhnliche Besetzung wählte. Das Ensemble Operone wurde mit vier Hörnern bereichert und verstand es, einen starken, fast schon martialischen Klang zu erzeugen. Dem gegenüber standen aber auch immer wieder lyrische, anrührende Passagen. Alles wurde überaus beseelt mit abwechslungsreicher Dynamik, sicher in Balance, Zusammenspiel und Intonation zum Klingen gebracht.

Hätte man nicht gewusst, dass die nun zu Gehör gebrachte Ouvertüre zum Oratorium „Isacco figura del redentore“ von Joseph Myslivecek stammt, so hätte man zweifelsfrei glauben können, dass sie ebenfalls Mozarts Feder entsprungen sei. Die Holzbläser traten in diesem reizvollen Werk immer wieder in den Vordergrund. Wunderschön klingende Duette der beiden Oboen und Hörner sowie viele virtuose Passagen der beiden Fagotte ließen aufhorchen. Bläser und Streicher traten immer wieder in einen anregenden Dialog. Alles klang leicht, beschwingt und luftig. Die Hörner gefielen mit ihrem weichen, warmen Klang und die Streicher wussten wunderbare Echowirkungen entstehen zu lasen. Ebenfalls mit vier Hörnern besetzt ist die zum Schluss erklingende Sinfonie g-Moll des 17-jährigen Mozarts. Das auch – im Gegensatz zu der späteren gleichnamigen Sinfonie KV 550 – „Kleine g-moll-Sinfonie“ genannte Werk ist alles andere als klein. Es ist die erste „ausgewachsene“ Sinfonie Mozarts und stellt einen Riesenschritt in ein neues sinfonisches Zeitalter dar. Noch nie wurde so persönlich in einer Sinfonie gesprochen. Mozart gibt hier seine Gefühle und Gedanken als Botschaft weiter. Dabei missachtet er jede Etikette und bringt zum Ausdruck, was ihn bewegt und berührt, alles auf höchstem kompositorischen Niveau.

Das Ensemble Operone brachte das Allegro con brio mit seinen synkopierten Rhythmen und aufwühlenden Läufen energisch und leidenschaftlich zum Klingen. Das folgende Andante beschwor eine dunkle Atmosphäre herauf. Die mit Sordino spielenden Violinen schufen einen geheimnisvollen Klangteppich über den die Fagotte flehende Floskeln spielten, die eigentümlich fremd und buffonesk wirkten. Auch das Menuetto klang ungewöhnlich melancholisch. Nur das von den Holzbläsern gespielte Trio verströmte eine friedliche pastorale Stimmung. Schwungvoll erklang das Finale. Kraftvoll präsentierten die Streicher im Unisono das punktierte Hauptthema und nahmen damit den unruhigen Rhythmus des eröffnenden Satzes wieder auf. Nach dem grandiosen Finale bedankte sich das Publikum mit langanhaltendem und begeistertem Applaus bei allen Mitwirkenden für diesen wunderbaren und inspirierenden Abschluss der Musiktage.

(Carmen Diemer-Stachel)