18.09.2023, Startseite

Niederschwellige Hilfen im Bereich der Pflege nahbar gemacht

Inoformierten über die Herausforderungen in der häuslichen Pflege und Betreuung: Demenzexpertin Karin Kircher (li.) und Andrea Münch von der städtischen IAV-Stelle.
Foto: Stadt Walldorf

„Vorsorge aktiv“ mit zahlreichen Experten fortgesetzt

Die Veranstaltungsreihe „Vorsorge aktiv“ wurde im katholischen Pfarrsaal unter dem Titel „Besondere Herausforderungen in der häuslichen Pflege und Betreuung“ fortgesetzt. Für die Veranstaltung war dieses Mal ein anderes Format gewählt worden, als bei der Premiere im Mai. Damals standen Expertinnen und Experten verschiedener Themenblöcke an Infoständen zu Gesprächen und zum Informationsaustausch bereit. Dieses Mal stellten sich die Verantwortlichen verschiedener Einrichtungen und Organisationen auf der Bühne vor und informierten über ihre jeweiligen Angebote und Dienstleistungen. Rund 30 Gäste waren der Einladung in den katholischen Pfarrsaal gefolgt und hörten den Experten zu.

Zwar sei das Thema Pflege „hochwichtig“, werde aber gerne verdrängt, wies Bürgermeister Matthias Renschler in seiner Begrüßung auf die allgemeine Zurückhaltung hin, sich damit auseinanderzusetzen. Daher sei es wichtig, „dass wir diese Themen angehen, denn familiäre Krisen können jeden betreffen“. Die Veranstaltung trage dazu bei, sich zu informieren. Seinen Dank sprach der Bürgermeister den beteiligten Fachleuten aus, verbunden mit einem Appell an das Publikum: „Knüpfen Sie bereits heute die Kontakte, die irgendwann wichtig werden können“. Sein besonderer Dank galt Andrea Münch von der IAV-Stelle, die die Veranstaltung organisiert hatte und sich seit vielen Jahren in den Themen Soziales und Senioren engagiere.

Mit einem Impulsvortrag startete Karin Kircher den Reigen informativer Vorträge. Die Demenzexpertin sprach über die Herausforderungen und Belastungen für und Bedürfnisse von Menschen, die ihre Angehörigen pflegen. Immerhin findet für rund 80 Prozent der Pflegebedürftigen die Pflege im häuslichen Umfeld statt, informierte Kircher. „Wir wollen das Leben aller Beteiligten lebenswert gestalten“, formulierte sie den Anspruch ihrer Arbeit. Anhand eines Beispiels aus einer von einem Pflegefall betroffenen Familie schilderte sie anschaulich, wie groß der Aufwand für pflegende Angehörige ist, und zeigte Bewältigungstipps: unabhängige Beratung einholen, Therapeuten und Krankenkassen zu Hilfsmitteln fragen, Austausch mit anderen Pflegenden suchen. Auch feste Tagesabläufe helfen dabei, Strukturen zu schaffen, die Freiräume ermöglichen, so die Demenzexpertin. Das Motto ihrer Arbeit lautet „Pflegen und leben!“ Dabei sei auch Humor sehr hilfreich, „denn manchmal müssen wir einfach mal lachen“.

Andrea Münch stellte ihre IAV-Stelle vor, die sie als erste Anlaufstelle versteht. „Wir arbeiten alle gerne in einem Netzwerk“, bezog sie die anderen anwesenden Experten mit ein und betonte, wie wichtig Zusammenarbeit ist. „Es ist uns ein Anliegen, individuelle Lösungen zu finden“, so Münch, die deutlich machte, dass leider immer noch die meisten Menschen erst zu ihr kommen, „wenn ein bestimmtes Thema brennt“ – sprich die Krise akut ist. Daher warb sie darum, die kostenfreie und unabhängige Beratung im Rathaus wahrzunehmen, vor allem um Krisen vorzubeugen.

Kostenfrei sind grundsätzlich alle Angebote, die an dem Abend vorgestellt wurden. Es gehe darum, die Menschen niederschwellig zu erreichen, waren sich die Experten einig. Das betonte auch Bernd Schumann, der als Sozialarbeiter beim Baden-Württembergischen Landesverband für Prävention und Rehabilitation (Bwlv) Fachstelle Sucht in Wiesloch und Leimen tätig ist. Auch in Walldorf gibt es eine Außenstelle der Einrichtung. „Wir gehen in Schulen, machen Prävention und Aufklärung“, beschrieb Schumann seine Tätigkeitsfelder, zu denen natürlich ebenso Beratungsangebote sowie Hilfe bei Obdachlosigkeit gehören. „Es ist oft auch Lebensberatung“, schilderte Schumann und betonte, dass man der Schweigepflicht unterliege. „Wir beraten anonym und erarbeiten Lösungen“, lautet das Prinzip des Experten. Auf die Frage, welche Süchte besonders im Alter auftreten könnten, nannte Schumann Medikamentenabhängigkeit, die oft unterschätzt werde.

Kirsten Ehrhardt von der Ergänzenden unabhängigen Teilhabeberatung (EUTB) Rhein-Neckar hat sich der Teilhabe behinderter Menschen verschrieben. Sie berät mit ihrem Team alle Menschen mit Behinderungen, von Behinderung bedrohte Menschen, aber auch deren Angehörige. Eine offene Sprechstunde wird in Walldorf in der Scheune Hillesheim angeboten, dienstags und donnerstags jeweils von 10 Uhr bis 12 Uhr. „Wir beraten nach den Bedürfnissen der Ratsuchenden“, so Kirsten Ehrhardt. Zum Beispiel im Vorfeld der Beantragung von Leistungen und zu allen Fragen rund um Rehabilitation und Teilhabe.

Stefan Krauth, Leiter des Sozialpsychiatrischen Dienstes des Sozialpsychiatrischen Hilfsvereins Rhein-Neckar (SPHV), stellte die zahlreichen Angebote des Sozialpsychiatrischen Zentrums Wiesloch vor. Zum Leistungsspektrum zählen der sozialpsychiatrische Dienst, eine Tagesstätte, das Restaurant „Alte Schuhfabrik“, arbeitsorientierte Angebote am Standort Alte Druckerei und Betreuungsdienste der vollstationären Abteilungen sowie Intensiv Betreutes Wohnen für junge Menschen. Es gehe oft auch um Hilfestellung bei der Integration in den zweiten oder ersten Arbeitsmarkt. „Wir sind keine Dienstleister in der Pflege“, schränkte Krauth während seiner Ausführungen ein. Die Dienstleistungen seien aber kostenlos, niederschwellig und „jeder Mensch kann sich bei uns eine Grundberatung holen“.

Mit ihrem Kurzimpuls setzte Silke Kübler von der Ökumenischen Hospizhilfe Südliche Bergstraße den Schlusspunkt der Vorträge. Die Hospizarbeit sei ein Thema, zu dem man sich „nicht gerne hinbewegt“, weiß sie aus Erfahrung. Aber man sehe es als gesellschaftliche Aufgabe, das Thema in die Öffentlichkeit zu tragen. „Wir gehen dahin, wo die Menschen wohnen“, erklärte sie. Ihr Dienst komme nicht nur den Menschen zu Gute, die sich an ihrem Lebensende befinden. „Manchmal ist es gut, dass derjenige, der pflegt und versorgt, Zeit für sich hat“, verdeutlichte Kübler die Unterstützung der Angehörigen. Sie weiß auch, dass schon Kleinigkeiten im Alltag große Wirkung entfalten: „Wir halten auch einfach eine Hand.“ Ihr Dienst höre jedoch nicht auf, wenn jemand verstirbt, warb sie außerdem für das Angebot der Trauerbegleitung. Und auch die Jugendarbeit liege dem Verein am Herzen. Das Thema der Sterbebegleitung wirkte scheinbar emotional am stärksten auf einige Gäste aus dem Publikum, die nach dem Vortrag von Silke Kübler ihre persönlichen Erfahrungen mit unterschiedlichen Einrichtungen der Hospizhilfe schilderten. Es war ein durchweg positiver Tenor herauszuhören, was Kübler sichtlich freute. Zum Ausklang der Veranstaltung hatten die Besucher die Möglichkeit, mit den Expertinnen und Experten persönlich zu sprechen und Informationsmaterial mit nach Hause zu nehmen.