25.07.2025, Kultur & Freizeit

Satisfaction im Hotelzimmer und Elvis Presleys Lachanfall

Werner Köhler sorgte für einen sehr unterhaltsamen Abend in der Stadtbücherei.
Foto: Stadt Walldorf

Werner Köhler unterhält mit zahlreichen Anekdoten zur Musikgeschichte

 „Wollen Sie ein Lied mit mir singen?“, fragt Werner Köhler am Ende eines sehr unterhaltsamen Abends in der Stadtbücherei. Und das Publikum nimmt das Angebot gerne an. Kurz darauf erklingen die Liedzeilen von „Über den Wolken“ (Reinhard Mey), begleitet von Werner Köhler auf der Gitarre – ein würdiger Abschluss für eine sehr persönliche musikalische Reise, auf die Köhler die Gäste zuvor mitgenommen hat.

Darin spricht der langjährige Musikchef von SWR1 über zahlreiche Begegnungen mit Musikerinnen und Musikern, Reisen zu bedeutsamen Orten der Musikgeschichte sowie über interessante und heitere Entstehungsgeschichten berühmter Songs. „Ich verspreche, Sie werden manches Musikstück anders wahrnehmen als vorher“, macht der Musikexperte zu Beginn des Abends, der unter dem Titel „Werner Köhlers wunderbare Welt der Musik“ steht, neugierig. Und er soll recht behalten.

Die Entstehungsgeschichte von „Sultans of Swing“ macht den Anfang. Den Song schrieb Mark Knopfler, nachdem er eine Dixie-Band in einer Kneipe im englischen Deptford gesehen hatte, die ihn mit ihrer musikalischen Leidenschaft beeindruckte. Deren Name – „Sultans of Swing“ – inspirierte ihn zum gleichnamigen Song, der den ersten großen Erfolg seiner Band Dire Straits markierte. Der Song wird von Köhler eingespielt – so wie viele andere Lieder auch, über deren Entstehung er Spannendes zu erzählen hat.

Keith Richards etwa habe das markante Riff von „Satisfaction“ eines Nachts in einem Hotel eingespielt und sei dann eingeschlafen. Sein Kassettenrekorder habe alles aufgezeichnet – samt Schnarchen des Gitarristen der Rolling Stones. Der Song wurde ein großer Hit, der 1965 noch die Gemüter erhitzte – und 2025 in der Walldorfer Stadtbücherei für Erheiterung sorgt. Denn Mick Jagger habe einmal gesagt: „Ich möchte lieber sterben, als mit 45 noch ‚Satisfaction‘ zu singen.“

Apropos erhitzte Gemüter: Elvis Presley darf im Reigen der Erzählungen natürlich nicht fehlen. Die Geschichte vom zehnjährigen Jungen, der sich zum Geburtstag ein Gewehr wünscht, aber stattdessen eine Gitarre bekommt (für 7,95 Dollar), die er bis zu seinem ersten Album spielt, ist genauso hörenswert wie die ersten Reaktionen auf den Künstler, der mit seinem Hüftschwung angeblich die Moral der Jugend bedrohte. Köhler durfte auf einer SWR-Hörerreise in Presleys altem Aufnahmestudio sogar auf dessen Klavier spielen. Ein Video dokumentiert diesen Augenblick, der für Köhler jedoch gar nicht so magisch war wie vermutet. „Ich war eher darauf konzentriert, mich nicht zu verspielen.“ Einen seltenen Moment in Presleys Karriere spielt Köhler ebenfalls ein: Der „King of Rock’n’Roll“ hatte bei einem Auftritt in Las Vegas mitten im Song „Are You Lonesome Tonight?“ einen Lachanfall. Warum? Darüber könne nur spekuliert werden – manche vermuten einen Mann im Publikum mit verrutschtem Toupet als Auslöser, andere die überengagierte Backgroundsängerin Cissy Houston, Mutter des späteren Popstars Whitney Houston. Der sympathische Aussetzer Presleys jedenfalls sorgt bei den Zuhörern auch über 50 Jahre später für Schmunzeln.

Dass Musiker sich auch in der klassischen Musik bedienen, zeigt Köhler am Beispiel von Jethro Tull: Ian Anderson, Frontmann der britischen Rockband, sei einmal so genervt von einem Nachbarn gewesen, der immer wieder ein Stück von Johann Sebastian Bach (Bourrée in E-Moll) übte, dass er sich dieses Stück eines Tages für einen Song („Bourée“) zu eigen machte. Auch Phil Collins‘ „A Groovy Kind of Love“, selbst ein Cover, basiert auf einem Rondo aus der Sonatine in G-Dur, Opus 36 von Muzio Clementi, wie Köhler live am Klavier demonstriert.

Dass auch Kunst Inspiration für gute Musik sein kann, macht Köhler an Don McLeans „Vincent“ deutlich, in dem der Künstler seine Bewunderung für den Maler Vincent van Gogh zum Ausdruck bringt. „Für mich eines der schönsten Lieder der Popgeschichte“, so Köhler.

Nach der Pause widmet er sich dem Thema „erste Schallplatten“ und lässt dafür einige Künstler in Interviews selbst zu Wort kommen – darunter Wolfgang Niedecken, Peter Maffay und Harald Schmidt. Diese Beispiele sind eher heiter, Köhler lässt das Publikum aber auch an emotionalen Momenten teilhaben. Etwa, wenn er einen Interviewausschnitt einspielt („Das habe ich vor Publikum noch nie gemacht“), in dem er Roger Cicero fragt, welches Lied auf seiner eigenen Beerdigung gespielt werden könnte. Cicero nennt ein Werk des österreichischen Komponisten Gustav Mahler – das Adagietto aus der 5. Sinfonie –, das für ihn „eine wahnwitzige Anmut“ habe. Nicht einmal ein Jahr nach dem Interview starb Roger Cicero im Alter von nur 45 Jahren. „Das geht mir sehr ans Herz“, sagt Köhler rückblickend.

Auch über eine Begegnung mit Joy Fleming spricht er – „eine der besten Sängerinnen, die wir in Deutschland je hatten“. Sie war 1969 Vorsängerin bei Janis Joplins einzigem Deutschlandkonzert in Frankfurt, was beim Publikum für Furore und bei der US-amerikanischen Rock- und Bluessängerin für Verärgerung sorgte.

Immer wieder kommt Werner Köhler auf seine Liebe zur Musik zu sprechen. Ohne sie, sagt er an einer Stelle, „wäre ich ein anderer Mensch“ – und konkretisiert: „Musik ist Kommunikation, Musik ist Leben, Musik hilft gegen Angst.“ Diese Leidenschaft merkt man Köhler den ganzen Abend über an. Bei den Songs, die er für das Publikum einspielt, singt er oft die Zeilen mit und wippt dabei im Takt.

Zum Ende seines Vortrags spielt er noch ein Lied vor, „das mich bewegt“: Billy Joels „Leningrad“, ein Stück über Freundschaft und kulturelle Unterschiede zwischen Ost und West. Ein melancholischer Abschluss – dem er mit der Zugabe noch einen heiteren Moment hinzufügt: Versprecher von Radiomoderatoren – „sehr gefürchtet“, aber natürlich sehr lustig für die Zuhörer. Dabei spart Köhler auch eigene Verhaspler nicht aus – und kann selbst herzlich darüber lachen. „Es war mir eine Freude, ein ganz toller Abend“, bedankt er sich am Ende beim Publikum – das mit tosendem Applaus den Dank zurückgibt.