23.05.2025, Startseite

Wenn das Rembrandt-Rot im Boden wächst

Zu Besuch im Färbergarten der Kikusch: (v.li.) Lukas Müller (Volksbank Kraichgau), Kikusch-Leiterin Elisabeth Kamps, Kunstpädagogin Riccarda Luksza, Karin Teuschel (Tafel), VHS-Leiterin Anna Gisbertz und Bürgermeister Matthias Renschler.
Foto: Stadt Walldorf

Der Färbergarten der Kikusch hat sich hervorragend entwickelt

„Das sind ganz wunderbare Farben, die hier wachsen“, sagt Riccarda Luksza – ihre Begeisterung ist echt und keineswegs gespielt. Die Kunstpädagogin sagt Sätze wie: „Spinat gibt eine tolle Farbe, die ist aber leider nicht sehr haltbar, weil sie nicht lichtfest ist.“ Oder: „Die Krappwurzel ist das Rembrandt-Rot.“ Und: „Oregano färbt super.“ Der Apfelbaum ergebe übrigens ein schönes Gelb. Sie versucht, die Besucher in die einfachsten Grundlagen der Geheimnisse des Farbenherstellens und -mischens zu entführen: „Wenn man Zitrone reinträufelt, verändert sich der Farbton.“ Ein ganz anderes Ergebnis erhalte man wiederum, wenn man Erde in den Pflanzensaft streut. Schnell wird klar: „Wir experimentieren viel.“

Elisabeth Kamps, die Leiterin der Kinder- und Jugendkunstschule (Kikusch) der Volkshochschule Südliche Bergstraße, stellt Riccarda Luksza beim Besuch im Färbergarten passenderweise als „die Königin der Farben“ vor. Bürgermeister Matthias Renschler, VHS-Leiterin Anna Gisbertz, Karin Teuschel (Tafel Walldorf) und Lukas Müller (Volksbank Kraichgau) machen sich ein Bild davon, was hier in rund einem Jahr entstanden ist, seit die Stadt der Kikusch ein passendes Grundstück zwischen dem Waldkindergarten der Zipfelmützen und der Kleingartenanlage für das Projekt zur Verfügung gestellt hat. „Das ist eine echte Bereicherung für unsere Stadt“, findet Bürgermeister Renschler.

Im Färbergarten werden Naturfarben aus Färberpflanzen gewonnen. Die Kinder und Jugendlichen, die in der Kikusch aktiv sind, profitieren davon auf vielfältige Art und Weise: Sie erforschen und entdecken die Natur vor der Haustür, sie lernen, wie umweltfreundliche Farben hergestellt werden, und sie können diese Farben in den Kunstkursen dann auch gleich verwenden. Hier wachsen Sträucher, Stauden und einjährige Pflanzen, deren Blüten, Blätter, Früchte, Wurzeln oder Rinde zur Herstellung von Pigmenten und Farbsäften dient, ob Blutweiderich, Ringel- und Sonnenblumen, Färberkamille oder Labkraut. Dank dem Zusatz von Zitronensäure, Alaun, Soda oder Natron lernen die Kinder vor Ort und im Farblabor, wie Aquarellfarben, Flüssigfarben und pastöse Farben, Zeichenkohle und Wachskreiden aus den natürlichen Rohstoffen hergestellt werden und arbeiten dann auch mit diesen. Riccarda Luksza führt unter anderem die selbstgemachten Wachsmalstifte vor.

Während des Besuchs findet gerade der von der Tafel finanziell getragene offene Treff statt, der immer donnerstags von 15 bis 18 Uhr kostenlos allen Interessierten offensteht. Die Kinder sind mit Feuereifer bei der Sache und lassen sich auch von den Gästen nicht ablenken. Eine Gruppe, die zu den Stammgästen zählt, nennt sich (inspiriert von den Pfadfindern) „die Farbfinder“ und hat eine Menge Spaß. Oft sind bis zu 20 Kinder da, es waren aber auch schon über 30. „Viele wissen längst genau, was zu tun ist“, sagt Riccarda Luksza. Zumal es auch für Anfänger und Neulinge die Gefahr eines Scheiterns oder von Enttäuschungen nicht gibt, wie Elisabeth Kamps erklärt: „Es gibt immer ein Ergebnis, nie ein Richtig oder ein Falsch. Und wenn mal jemand nicht malen möchte, buddelt er in der Tongrube oder macht Samenbomben.“ Letzteres sind mit Pflanzensamen gefüllte Kugeln, die zum Begrünen von Flächen verwendet werden können. Elisabeth Kamps hat beobachtet: „Die Kinder entwickeln hier ein anderes Bewusstsein im Umgang mit den Materialien.“ Neben dem offenen Treff sind auch die regulären Kikusch-Kurse regelmäßig vor Ort, es gibt Kooperationen mit Kindergärten und allen Walldorfer Schulen, der Jugendrat der Kikusch trifft sich öfter hier und auch die VHS überlegt laut Anna Gisbertz wie sie die kleine Oase in der Natur für ihre Dozenten und Kurse nutzen kann – vom Dreijährigen bis zum Erwachsenen haben schon viele im Färbergarten experimentiert, Farben hergestellt und dann auch mit ihnen gemalt.

Für die Walldorfer Tafel ist der Färbergarten das erste externe Projekt, das er gemäß seiner Satzung, neben der Rettung von Lebensmitteln beispielsweise auch Projekte im Bereich der Bildung zu unterstützen, fördert. „Ich finde das großartig“, sagt Karin Teuschel. Die Volksbank Kraichgau Stiftung hat den Start des Färbergartens mit Mitteln aus ihrem Fonds Nachhaltigkeit ermöglicht, die Metropolregion Rhein-Neckar unterstützt es ebenso wie die Volkshochschule, die gerade mit der Spende einer Komposttoilette samt Häuschen dazu beigetragen hat, dass Elisabeth Kamps guten Gewissens sagen kann: „Jetzt sind wir komplett autark.“ Wobei sie sich noch ein Solarpanel wünschen würde, um die Farben nicht mehr wie bisher mit dem Gaskocher, sondern im Sinne der Nachhaltigkeit mit regenerativer Energie einkochen zu können. „Vielleicht findet sich ja ein Spender“, sagt die Kikusch-Leiterin hoffnungsvoll. Ihr Dankeschön gilt der Stadt Walldorf, die nicht nur das Grundstück unbürokratisch und schnell zur Verfügung gestellt hat, sondern über den Bauhof auch die Fläche gerodet und für einiges weitere Benötigte gesorgt hat. Speziell Stadtbaumeister Andreas Tisch habe sich „richtig reingekniet“, um den Färbergarten voranzubringen.