06.08.2025, Startseite
Der Regenbogen sorgt für Diskussionen im Rat

Die Regenbogenflagge weht als Symbol für Toleranz und Vielfalt vor dem Walldorfer Rathaus. Archivfoto: Stadt Walldorf
Keine Entscheidung über Grünen-Antrag auf Beitritt zum „Rainbow Cities Network“
Der Regenbogen gilt unter anderem als Zeichen für Hoffnung, Frieden, Vielfalt und Zuversicht. In der jüngsten Sitzung des Gemeinderats entzündete sich an ihm – als Symbol in der Form der Regenbogenflagge für die Akzeptanz von Geschlechtervielfalt und sexueller Orientierung – aber eine sehr emotionale Diskussion, die ganz unterschiedliche Grundhaltungen aufeinanderprallen ließ.
Soll die Stadt Walldorf dem „Rainbow Cities Network“ beitreten? Soll sie sich zudem ausdrücklich zu dessen Grundwerten und Zielen zur Förderung der Gleichstellung von lesbischen, schwulen, bisexuellen, transgender, intergeschlechtlichen, queeren und weiteren nicht-heteronormativen Menschen zur Bekämpfung von Diskriminierung sowie zur Stärkung von Sichtbarkeit, Teilhabe und Schutz bekennen? Und soll sie eine stark frequentierte Fläche im öffentlichen Raum dauerhaft in den Farben der sogenannten „LSBTIQ+-Community“ gestalten? Das hatte ein Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen gefordert, über den am Ende aber nicht entschieden wurde. Stattdessen wurde ein weitergehender, gemeinsamer Antrag der Fraktionen CDU, SPD und FDP bei den vier Gegenstimmen der Grünen-Räte angenommen: Damit wird das Thema in den Sozialausschuss verwiesen, um eine Grundsatzdiskussion zu führen und es eventuell auch auf andere diskriminierte Gruppen auszuweiten.
Nele Böhm präsentierte den Antrag ihrer Fraktion mit dem leidenschaftlichen Plädoyer, Walldorfs weltoffene Grundhaltung auch politisch deutlich zu machen und ihr öffentlich Raum zu geben. Toleranz müsse gepflegt, gelebt und immer wieder verteidigt werden. „Es geht darum, dass Menschen spüren: Ich bin hier richtig“, sagte sie. Und sie machte deutlich, dass Menschen mit einer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität, die nicht den gesellschaftlichen Mehrheitsnormen entspricht – in einer Selbstbezeichnung als „queere“ Menschen zusammengefasst – in Deutschland Ausgrenzung, Stigmatisierung und sogar körperliche Gewalt erlebten. Das, so Nele Böhm, geschehe längst nicht nur in Großstädten, „auch in Walldorf werden Menschen wegen ihrer Identität beleidigt, ausgegrenzt oder bedroht“. Dem wirke das „Rainbow Cities Network“ entgegen, ein Zusammenschluss europäischer Städte, die sich für gleiche Rechte und faire Teilhabe von LSBTIQ+-Menschen engagierten, praktische Impulse lieferten und andere Städte aktiv dabei begleiteten, queere Perspektiven in Verwaltungshandeln, Stadtpolitik und öffentliche Strukturen einzubringen. Sie wies auch darauf hin, dass sich selbst große Unternehmen auf politischen Druck hin wie seitens der Trump-Regierung in den USA zunehmend aus ihrer gesellschaftlichen Verantwortung zurückziehen. Auch deshalb sei der Antrag keine reine Symbolik, sondern „mehr als ein Zeichen“. Nele Böhm sagte: „Er ist Ausdruck einer Haltung. Und er stellt die Frage, ob Walldorf bereit ist, diese Haltung durch konkrete sichtbare Maßnahmen umzusetzen.“
Eine völlig konträre Sichtweise nahm Uwe Lindner in der Stellungnahme der CDU-Fraktion ein. Seiner Ansicht nach ist die Mehrheit der Bevölkerung im Land tolerant, „hält aber nichts bis sehr wenig von einer sexuellen und geschlechtlichen Vielfalt“, wie sie die queere Bewegung nach außen trage, „und ist deshalb auch desinteressiert“. Lindner sagte, in der Mehrheit der Gesellschaft würden dadurch „Unsicherheit und Bedenken hervorgerufen“ und „diese Art zu leben“ werde abgelehnt. Die CDU stehe zum „normalen Familienbild“ mit Mutter, Vater und Kindern und er befürchte, dass durch Forderungen nach bunten Zebrastreifen oder Regenbogenfahnen in der Nähe von Bildungseinrichtungen immer mehr Menschen nach rechts getrieben würden. Lindner sagte allerdings auch, dass bis 1994 homosexuelle Handlungen zwischen Männern als Straftatbestand galten, sei „eine Katastrophe“ gewesen, und er meinte: „Dies darf nie wieder so kommen“ und „Die Menschen dieser Bewegung verdienen Respekt und Toleranz“. Dazu bedarf es aus seiner Sicht „aber noch sehr viel Aufklärung und Dialog und einer kritischen Reflexion der Medien und Politik“. Aktuell sollte sich die Stadt „handlungsneutral“ verhalten und keine „gesellschaftspolitisch links gewollte Haltung“ einnehmen, so Lindner.
Eine Stellungnahme, die Nele Böhm als „diskriminierend und menschenverachtend“ bezeichnete. Die Stadt würde ihre Neutralität aus ihrer Sicht nicht aufgeben, sondern sich hinter eine diskriminierte Gruppe stellen. Statt veralteten Normen wie dem Bild von Mutter, Vater und Kind „hinterherzurennen“, sei die Stadt ihren Bürgerinnen und Bürgern verpflichtet. Lindner verzichtete auf eine Entgegnung, betonte nur, er stehe zu seiner Meinung.
Lorenz Kachler (SPD) sah es als „grundsätzlich wichtig an“, sich mit dem Thema zu beschäftigen. Mit der Erarbeitung eines Chancengleichheitsplans in der Stadtverwaltung, der Unterstützung des Vereins PLUS oder den Schutzkonzepten, die in den Kitas behandelt würden, sei aber „schon sehr viel am Entstehen“. Deshalb müsse man „zunächst schauen, wie sich die Situation in Walldorf darstellt, und nicht vorschnell einem Netzwerk beitreten“. Auch wenn, so Kachler, letztlich „alle in der Runde das Gleiche“ wollten.
Paula Glogowski betonte für die FDP, man stehe gegen jede Form von Hass, Hetze und Diskriminierung. Es sei richtig, über Maßnahmen nachzudenken. Aber: „Wir müssen Politik für alle Menschen machen.“ Deshalb müsse man den Antrag auch auf andere diskriminierte Gruppen ausweiten. Für queere Menschen werde in Walldorf, etwa mit der Unterstützung des Vereins PLUS oder der Einrichtung von Unisex-Toiletten am Schulzentrum bereits einiges getan. Im Sozialausschuss könne man erarbeiten, welche weiteren Maßnahmen für welche Gruppen sinnvoll seien.
„Der Sozialausschuss ist sicher gut, um Details zu besprechen“, sagte Bürgermeister Matthias Renschler nach der Entscheidung, das Thema dort weiter zu behandeln.