27.10.2025, Startseite
„Renée, du bist heute ganz nah“
Ralph Delgado (Mi.) beim Benefizkonzert für seine verstorbene Frau, die Sängerin Renée Walker, in Aktion unter anderem mit (v.li.) Fabian Michel und Olli Roth sowie (v.re.) Rolf Stahlhofen, Freddy Wonder und Pamela O'Neill. Foto: Stadt Walldorf
Benefizkonzert für die verstorbene Sängerin in der Astoria-Halle
„Ich habe sie gespürt“, sagt Ralph Delgado. Seine im April verstorbene Ehefrau, die Sängerin Renée Walker, ist beim Benefizkonzert in der Walldorfer Astoria-Halle allgegenwärtig. Die Eheringe hängen an Delgados Saxofon, er selbst trägt eines ihrer T-Shirts, wie er verrät. Über die Monitore am Bühnenrand flimmern Bilder, die die Rockröhre mal in Aktion, mal ganz privat zeigen. Und viele der Ansagen an einem langen Abend mit großartiger Musik, dargeboten vom „Who is Who“ der regionalen Szene, sind gleichfalls ihr gewidmet: „Ich hoffe, sie schaut uns von oben zu“, sagt Organisator Eddie Berlinghof, der Vorsitzende des Kulturfördervereins Kurpfalz.
„Renée würde sich total freuen“, glaubt Michael Breitschopf von den „X-Friends“, einer der Formationen, mit denen die Sängerin immer wieder auf der Bühne gestanden hat. „Wenn ich an Renée denke, denke ich an ein Grinsen und an ein lautes Lachen. An einem Abend mit Renée gab es keinen Kummer.“ Man dürfe traurig sein, wolle aber auch feiern und „an die schönen Momente“ denken. Breitschopfs Worte könnten das Motto für die folgenden mehr als drei Stunden ebenso bewegender wie höchst unterhaltsamer Musik sein. Die rund 800 Besucherinnen und Besucher erleben einen „fantastischen Abend“, wie es mit Gitarrist Henry Mittnacht („Statement“) einer der vielen Mitwirkenden zusammenfasst. Am Ende singen und spielen die rund vierzig Musiker gemeinsam den Beatles-Hit „All you need is Love“.
Geboren 1969 in Berlin, verschlug es Renée Walker oder Theresa Renée Ituareito Guaninanichi Delgado-Tossas, so ihr vollständiger Name, Ende der achtziger Jahre in die Region, der sie mit ihrer Power-Stimme, die volle vier Oktaven umfasste, ihren musikalischen Stempel aufdrückte, ob mit ihrer eigenen Renée Walker Band, im „RAW Duo“, bei „Me & the Heat“ oder „Gonzo’s Friends“. Seit 2015 lebte sie mit ihrem Ehemann Ralph Delgado auf Puerto Rico. Dort ist sie am Morgen ihres 56. Geburtstags an den Folgen ihrer Morbus-Crohn-Erkrankung gestorben.
Mit „Fire and Rain“, passenderweise einem Song, den James Taylor über eine verstorbene Freundin geschrieben hat, starten die „X-Friends“ – Michael Breitschopf (Gitarre, Gesang), Fabian Michel (Gitarre, Gesang), Stephan Breuer (Schlagzeug), Harry Schneck (Keyboard) und Gigu Neutsch (Bass, Gesang) – den Abend musikalisch. Fabian Michel teilt zum folgenden „The Boys of Summer“ eine Erinnerung: Auf der Heimfahrt von einem Gig habe Renée im Bandbus „das Radio aufgerissen“ und dazu lautstark mitgesungen. „Ich hatte Gänsehaut“, seither habe er den Song im Repertoire. Gigu Neutsch sagt: „Für uns ist es eine große Freude, mal wieder mit unserem langjährigen Freund Ralph Delgado zusammen zu spielen.“ Der gesellt sich mit seinem Saxofon bei „Diamante“ zur Band, bei „You can call me Al“ kommen Sänger Freddy Wonder, Busters-Trompeter Hardy Appich und Olaf Schönborn (Saxofon) dazu. Schon jetzt ist der Abend wie ein großes Klassentreffen der hiesigen Musikszene, das Publikum kommt voll auf seine Kosten. „Was für ein tolles Ding – Renée, du bist heute ganz nah“, sagt Freddy Wonder.
Markus Sprengler, ehemaliger Sänger der Busters und früherer Popbeauftragter der Stadt Mannheim, sagt „eine der dienstältesten Reggae-Bands der Region“ an: „Riddim Posse“. Kirt Dallaway (Trompete, Gesang), Wayne Dallaway (Posaune, Gesang), Pit Schönpflug (Keyboard), Markus Hermann (Gitarre, Gesang), Michael Suuhe (Gesang, Bass) und Tobi Hartmann (Schlagzeug) bringen mit „Baby, I Love your Way“ und „Calypso“ karibisches Flair in die Astoria-Halle. Sprengler singt mit ihnen „Walking on the Moon“ und „In the Mood for Marley“, auch die Bläser sind wieder dabei. Das Power-Trio Peter Stahl (Gesang, Gitarre), Armin Rühl (Schlagzeug) und Gigu Neutsch zelebriert erst den Blues („The Thrill is Gone“), dann den Rock’n’Roll („Leben ohne Gnade“). Für die immer knackige Stones-Nummer „Miss you“ stößt Uwe Janssen (Gesang, Gitarre) hinzu. „Miss you, Renée“, sagt er am Ende.
Der Rapper Nelson erweitert das musikalische Spektrum des Abends mit seinem Song „Vollspann“, begleitet von seinem Vater Gigu Neutsch am Bass und Martin Achtelik an der Gitarre. Und die Original Renée Walker Band – Martin Achtelik, Ashley Whited (Keyboard), Jens Weidenheimer (Schlagzeug) und Andy „Doc“ Kraus (Bass) – wird von vielen Gästen gesanglich unterstützt: Oliver Rosenberger („You to me are everything“), Pamela O’Neill („Respect“), Isaac Roosevelt („Mustang Sally“) und Rolf Stahlhofen („One of us“) geben sich gegenseitig das Mikro in die Hand und halten die Stimmung hoch. Nach der Pause gehört die Bühne dann ganz Ralph Delgado und seiner puertoricanischen Band „Los Hermanos Gonzalez“ mit Jolo (Gitarre, Gesang), Mario Corrado (Keyboard, Gesang), Tomas Perez (Bass, Gesang) und Daniel Hernandez (Percussion, Gesang), die erst zwei Tage vorher bei der wöchentlichen Jam-Session des Kulturfördervereins ihren ersten Auftritt in Deutschland überhaupt hatte. Die muntere Truppe, seit mehr als einem Vierteljahrhundert aktiv, erntet für ihre typisch puertoricanische Musik begeisterten Applaus.
„Eine Reunion, eine Sensation“, kündigt Markus Sprengler das Comeback von „Statement“ an: Olli Roth (Gesang), Henry Mittnacht (Gitarre), Ralf Bopp (Bass), Tom Geiss (Keyboard) und Michael Vogel (Schlagzeug) spielen mit „One for the Money“, „All I Want“ und „Hard to Find“ drei ihrer eigenen Hardrock-Songs, mit denen sie in den frühen Neunzigern in der Region bekannt und beliebt waren. Stahl, Rühl, Neutsch und Janssen kommen mit „With or without you“ und „Like a Rolling Stone“ zurück, Nelson rappt „Verschwendete Zeit“, jetzt mit Fabian Michel an der Gitarre, und die X-Friends spielen zum großen Finale auf: Pamela O’Neill singt das groovende „Baby Love“, Rolf Stahlhofen wird bei seiner Ansage zu „Große Mädchen weinen nicht“ emotional, hat er das Stück doch gemeinsam mit dem 2020 gleichfalls viel zu früh verstorbenen Stephan Ullmann geschrieben. Isaac Roosevelt holt zu „All Night Long“ seinen jungen Freund Elias für dessen ersten Auftritt auf die Bühne und läuft selbst singend durchs Publikum. Die Bühne füllt sich mit immer mehr Musikern und Sängern, die jetzt irgendwie alle mitwirken. Olli Rosenberger singt ein mitreißendes „Dance Little Sister“, Freddy Wonder übernimmt bei „Whenever God“ den Löwenanteil des Gesangs. „Vielen Dank an die beste Band der Welt“, sagt Markus Sprengler vor der finalen Zugabe.
Gedankt hat eingangs auch Organisator Eddie Berlinghof den vielen Mitwirkenden, Sponsoren und Unterstützern, darunter die Stadt Walldorf, die die Astoria-Halle günstig zur Verfügung stellt. Denn der Erlös des Abends geht an Renée Walkers Familie. „Es war das absolute Erlebnis“, sagt Ralph Delgado im Gespräch mit der Walldorfer Rundschau, „richtig herzberührend“. Und: „Ich kann mich gar nicht genug bedanken.“ Ob der Abend seiner Frau gefallen hätte? Er nickt und hat ein Lächeln im Gesicht.
Armin Rößler