14.04.2023, Kultur & Freizeit

Der Autor als Figur seiner eigenen Geschichte

Der Autor Bastian Schneider war im Jahr 2016 für ein halbes Jahr Gastkünstler der Stadt Walldorf. Jetzt kommt er für eine Lesung in die Stadtbücherei.
Archivfoto: Stadt Walldorf

Lesung mit Bastian Schneider in der Stadtbücherei am 20. April

Am Donnerstag, 20. April, 20 Uhr, kommt der Autor Bastian Schneider für eine Lesung in die Stadtbücherei. Er ist nicht zum ersten Mal in Walldorf: 2015 wohnte Schneider im Rahmen des Künstlerstipendiums der Stadt für sechs Monate in der Scheune Hillesheim. Auch danach war er für Lesungen zu Gast. Bastian Schneider, der in Köln und Wien lebt, stellt in Walldorf seinen ersten Roman „Das Loch in der Innentasche des Mantels“ vor. Wir konnten im Vorfeld der Lesung mit dem Autor über seine Zeit in Walldorf und seinen neuen Roman sprechen.

Sie haben 2015 für ein halbes Jahr als Gastkünstler in der Scheune Hillesheim gewohnt. Welche Erinnerungen haben Sie an diese Zeit?

Bastian Schneider: Es war eine sehr besondere Zeit damals. Als ich 2015 ankam, war gerade der Peak der sogenannten Flüchtlingskrise. Viele Menschen, die aus Syrien und anderen Ländern geflohen waren, kamen unter anderem auch in Walldorf an. Ich habe Bekanntschaften geschlossen sowohl mit Walldorferinnen und Walldorfern, die sich da engagiert haben, aber auch mit Neuankömmlingen in Walldorf. Mit einem von ihnen habe ich immer noch sporadisch Kontakt. Ich habe sehr gute Erinnerungen an dieses Gemeinschaftsgefühl, was zu der Zeit herrschte. Außerdem war es mein erstes Aufenthaltsstipendium als Gastkünstler. Und dass ich diese Wohnung in der Scheune Hillesheim als mein Künstlerdomizil nutzen durfte, das war einfach großartig, weil es so viel war in vielerlei Hinsicht: Einerseits konnte ich mich ausbreiten mit meiner eher fragmentarisch angelegten Arbeit, der das zupasskam. Andererseits war es auch als Wohnraum natürlich toll.

Welche Texte sind in dieser Zeit entstanden?

Es sind etliche Texte auf meinen Gängen durch Walldorf, meinen Fahrten nach Karlsruhe oder nach Heidelberg entstanden. Viele der Texte haben dann Eingang in mein zweites Buch „Die Schrift, die Mitte, der Trost“ gefunden. Es gibt drei Texte, die ganz konkret an Walldorf gebunden sind: Einer spielt auf dem Friedhof, ein Text handelt von der Skulptur an der evangelischen Kirche und an der katholischen Kirche gibt es ein Ensemble aus Figuren, die in Texte eingeflossen sind.

Wie lassen Sie sich zu Ihren Geschichten inspirieren?

Es ist ein großer Quell der Inspiration, mit offenen Augen und Ohren durch die Gegend zu gehen. Es spielt dann auch keine große Rolle, ob das eine große Stadt oder eine kleinere wie Walldorf ist, auch wenn zugegebenermaßen eine größere Stadt im Zweifel ergiebiger sein kann.

In der Vergangenheit haben Sie sich vor allem Kurzprosa und Kurzgeschichten gewidmet. Wie kam es dazu, dass Sie nun einen Roman geschrieben haben?

Interessant war das schon immer. Ich hatte nur nie den passenden Stoff. Einerseits finde ich die kurze Erzählform nach wie vor unglaublich spannend, weil sie auch gut ohne irgendwelche Figuren, Psychologie und Gefühlswelten auskommt. Mich interessieren vor allem das intellektuelle Spiel mit Wahrnehmung und mit Sprache und die kleinen Dinge des Alltags, aus denen man vielleicht etwas machen kann. Eine Entwicklung hin zum aktuellen Roman gab es nicht, man wird vielleicht auch ein wenig enttäuscht sein, wenn man einen „Roman“ erwartet. Das Buch dreht sich auch viel um diese Frage des Romanschreibens. Es ist ein Stück weit Kern dieses Buches, inwiefern die Hauptfigur, die zufälligerweise denselben Namen hat wie ich, es vermag, einen Roman zu schreiben. Da gibt es allerlei Einlassungen dieser Figur dazu, die sich zum Teil mit meinen eigenen decken.
Aber die Herausforderung, so ein Buch, das man Roman nennen kann, zu schreiben, ist schon immer da gewesen. Ich hatte aber noch nicht den richtigen Stoff und vielleicht auch nicht die Ausdauer oder ich hatte das Gefühl: Wenn ich versuche, diese potenzielle Idee noch weiter auszuformulieren, dann langweile ich mich nach zwanzig Seiten. Dann schreibe ich lieber einen Kurzprosa-Text und freue mich daran.

Warum haben Sie sich dafür entschieden, sich selbst zur Hauptfigur zu machen?

Die Entscheidung kam durch Zufall: Anlass für den Roman war, dass es einen spanischen Autor gibt, der einen Text geschrieben hat, der „Bastian Schneider“ heißt. Mein Verleger hat mich darauf aufmerksam gemacht und ich habe dann den Text gelesen und den Autor kontaktiert. Somit habe ich in dem Roman die Auseinandersetzung damit verarbeitet, dass ein Autor meinen Namen als Pseudonym für eine seiner Figuren benutzt und ich das ziemlich frappierend fand.

Und worum geht es in dem Roman, den Sie nun auch in Walldorf vorstellen werden?

Es sind zwei Teile: Der erste Teil beschäftigt sich mit Bastian Schneider. Es ist eine Art Tagebuch, das er in Istanbul führt, wo er von einem Spanier hört, der Texte schreibt, die so heißen wie er. Es spielt etwa ein Jahr nach dem vereitelten Putschversuch in der Türkei. Die Stimmung ist also sehr aufgeheizt. Die Figur verliert sich dann ein bisschen in der Beschäftigung mit sich selbst, obwohl sie ein Schreibprojekt verfolgt. Der zweite Teil beschäftigt sich dann mit einem Änderungsschneider, der den inzwischen verschwundenen Autor Bastian Schneider zuletzt gesehen hat und sich auf die Suche nach ihm macht. Es geht auf einer übergeordneten Ebene darum, inwiefern man Herr über die eigene Geschichte ist und wie daraus ein Roman werden kann.

Was können die Besucher Ihrer Lesung am 20. April in Walldorf erwarten?

Ich werde das Buch etwas ausführlicher vorstellen und auch einige Stellen vorlesen. Ich habe es mir so vorgestellt, das auch noch etwas Platz ist, dass die Besucher auch gerne Fragen stellen können.

Wie kamen Sie auf den Titel „Das Loch in der Innentasche meines Mantels“?

Ab einem gewissen Zeitpunkt stand dieser Titel außer Frage. Ich mochte den Rhythmus und den Klang. Und ich habe viel übrig für Innentaschen und oft die Erfahrung gemacht, dass die ein Loch haben, was sehr nervig sein kann. Und irgendwie bin ich dann von diesem Titel nicht mehr losgekommen und der Verlag war auch sofort einverstanden damit, was ja nicht unbedingt selbstverständlich ist. Es ist übrigens auch eine ganz kleine Reminiszenz an ein vorhergehendes Buch von mir, in dem ein Text auf ein Loch in der Innentasche verweist. So spielt es quasi werkübergreifend eine Rolle.

Können Sie uns schon etwas über Ihre nächsten Projekte erzählen?

Es gibt viele Sachen. Es wird wahrscheinlich im Herbst ein Band mit Kürzestprosatexten erscheinen, die sich um den Kölner Stadtteil Zollstock drehen, in dem ich lebe. Dann arbeite ich mit einer österreichischen Kollegin an einem Kurzprosa- und Fotoband, in dem es ums „Verschwinden“ geht. Und dann habe ich noch einen Band mit Kurzgeschichten in der Pipeline. Außerdem gibt es noch ein weiteres Romanprojekt, in dem es um einen möglicherweise verschollenen Text von Franz Kafka geht, der wieder auftaucht.

Info: Karten für die Lesung gibt es im Vorverkauf für sechs Euro in der Buchhandlung Dörner und der Stadtbücherei.