29.03.2023, Startseite

Kostenloses Busfahren wird deutlich teurer

Das kostenlose Busfahren in Walldorf wird so gut angenommen, dass die Rechnung für die Stadt mehr als dreimal so hoch ist wie erwartet.
Foto: Stadt Walldorf

Starke Nutzung übertrifft die Erwartungen – Stadt zahlt 180.000 Euro

„Das Angebot wird rege angenommen“, stellte Bürgermeister Matthias Renschler fest. Das kostenlose Busfahren, zum 1. Januar 2022 in Walldorf eingeführt, wird deutlich besser genutzt, als man das erwartet hatte. Im Haushaltsplan hatte die Stadt nach den Schätzungen der beteiligten Verkehrsbetriebe 53.000 Euro eingestellt. Die tatsächlichen Kosten fürs vergangene Jahr, die von der Stadt übernommen werden, haben aber nach Angaben der Südwestdeutschen Landesverkehrs-GmbH (SWEG) und der Busverkehr Rhein-Neckar GmbH (BRN) 180.000 Euro betragen. Das entspricht rund 100.000 Fahrten im Jahr oder 270 Einzelfahrten pro Tag. Der Gemeinderat hat deshalb jetzt einstimmig beschlossen, 120.000 Euro für die Mehrkosten im laufenden Jahr überplanmäßig bereitzustellen sowie 180.000 Euro in den Folgehaushalten planmäßig zu berücksichtigen.

Die Verwaltung führte in ihrer Vorlage zur Sitzung aus, dass sich aus den Kosten schließen lasse, dass die Nutzung des ÖPNV stark zugenommen habe. Allerdings stünden der Stadt keine konkreten Vergleichszahlen zur Verfügung, um die Effekte präziser einzugrenzen. Eines der Ziele des Angebots sei es gewesen, die Zahl der Elterntaxis zu den Schulen zu reduzieren. „Aus Rückmeldungen ergaben sich durchaus Hinweise, dass die morgendlichen Fahrten ans Schulzentrum für eine sehr starke Auslastung der Busse sorgen“, heißt es in der Vorlage. Wie hoch die Steigerung sei, lasse sich aber nicht quantifizieren. Das gelte auch für die Frage, wie viele Nutzer und Pendler aus vorher anderen Tarif-Nutzungen nun das kostenlose Busfahren in Walldorf in Anspruch nehmen. Trotz dieser Unsicherheiten zieht die Verwaltung ein positives Fazit: „Dennoch ist zu bemerken, dass das Angebot eine starke Nutzung ausgelöst hat und sicherlich die Hemmschwelle zur ÖPNV-Nutzung im Stadtgebiet gesenkt hat.“

Zu Beginn des Jahres sei noch unklar gewesen, ob die Einführung des 49-Euro-Tickets eine Weiterführung dieses Angebots in Frage gestellt hätte. Es habe sich jedoch gezeigt, dass das sogenannte „Deutschland-Ticket“ ab Mai als digitales Jahres-Abo-Modell nicht die Niederschwelligkeit des Neun-Euro-Tickets aus dem Jahr 2022 erreichen werde. Daher sei, gerade im Sinn der Mobilitätswende, die Fortführung des kostenlosen Busfahrens „weiterhin wichtig und sinnvoll und steht auch nicht in Frage“.

„Das freut uns sehr“, sagte Christian Winnes (CDU). Es sei wichtig, die Menschen mit „niederschwelligen Angeboten“ zum Umstieg auf den ÖPNV zu motivieren. „Wir kritisieren die Intransparenz“, erklärte er aber auch. Oft sei unklar, ob bei einem schon vorhandenen Ticket „nicht eine Doppelbuchung“ stattfinde. Das habe er auch „persönlich ein paar Mal erlebt“. Deshalb regte Winnes an, mit den Verkehrsbetrieben Gespräche zu führen, ob nicht eine Lösung mit einem Pauschalbetrag möglich sei. „Einsteigen, losfahren“, würden damit Aufwand und Standzeit der Busse verringert.

„Das finden wir eine echte Sensation, damit haben wir nicht gerechnet“, sagte Dr. Andrea Schröder-Ritzrau für die SPD-Fraktion, die 2021 die Einführung des kostenlosen Busfahrens beantragt hatte. Ihre Schlussfolgerung: „Wenn man das Angebot im ÖPNV attraktiv macht, geht es richtig voran mit der Mobilitätswende.“ Nutzer sind nach ihrer Erfahrung vor allem auch ältere Menschen, daneben habe sich die Anzahl der Elterntaxis am Schulzentrum reduziert. Dennoch seien die hohen Kosten natürlich „kein Pappenstiel“. Schröder-Ritzrau widersprach Winnes‘ Vermutung, dass es Doppelbuchungen bei schon vorhandenen Tickets geben könne: „Nach meiner Beobachtung wird gefragt.“

„Gut, dass wir weiter in die Mobilitätswende investieren können“, sagte Manfred Wolf (Bündnis 90/Die Grünen) zu den stark gestiegenen Kosten. „Es macht in den Köpfen der Menschen einen Unterschied“, lobte er das auch aus seiner Sicht niederschwellige Angebot, dass „gut fürs Portemonnaie, fürs Klima und für die Reduzierung des Verkehrs“ sei. Gerade bei Schülern, die nun den Bus statt des Elterntaxis nutzten, „hoffen wir auf einen Gewöhnungseffekt an den ÖPNV“. So entstehe „ein pädagogischer Mehrwert“. Zum Start des 49-Euro-Tickets bat er die Verwaltung, sich Gedanken „über eine zusätzliche Attraktivierung“ zu machen.

Dagmar Criegee freute sich für die FDP-Fraktion einerseits, dass das Angebot „so rege angenommen“ wird, sagte aber auch: „Die Kostensteigerung erscheint uns unrealistisch hoch.“ Und: „Es stört uns sehr, dass es keinerlei Transparenz gibt.“ Ihre Fraktion bestehe darauf, „dass die hohen Kosten verifiziert werden“, und wolle auch wissen, „wie die Beförderungskosten zustande kommen“. Einer zusätzlichen Förderung des 49-Euro-Tickets durch die Stadt stehe die FDP „positiv gegenüber“. Für die CDU ergänzte Christian Winnes: „Das können wir auch unterstützen.“

Wilfried Weisbrod (Grüne) regte an, in Schwetzingen und Brühl nachzufragen, wie dort die Entwicklung sei. Beide Kommunen bieten im Rhein-Neckar-Kreis ebenso wie Malsch seit 1. Januar 2023 das kostenlose Busfahren an. St. Leon-Rot hatte das Angebot nach einem Jahr Ende 2022 wieder beendet.