30.09.2025, Startseite
Musikschätze, die glitzern und funkeln

Erlesener Kunstgenuss beim Auftaktkonzert der Walldorfer Musiktage
Nach dem erfolgreichen „Musiktage Talk“ mit Marcus Imbsweiler und Timo Jouko Herrmann startete das Festival nun auch musikalisch. Vor dem Rathaus war wieder der rote Teppich ausgerollt und das Verwaltungsgebäude verwandelte sich in einen stimmungsvollen Konzertsaal, ganz in blau-violettes Licht getaucht. Der städtische Musikbeauftragte Herrmann, Initiator und künstlerischer Leiter der Musiktage, hat zum zweiten Mal sein Lieblingsthema „Salieri“ als Motto gewählt. Ihm ist es ein Anliegen, Antonio Salieri (1750-1825) ins rechte Licht zu rücken, mit vielen falschen Gerüchten und bösartigen Verleumdungen aufzuräumen und „Dichtung“ von „Wahrheit“ zu trennen.
Für den musikalischen Auftakt waren Matthias Lucht (Altus) und das Ensemble Operino unter der Leitung von Herrmann zu Gast. Das hervorragende Ensemble, bestehend aus Britta Hofmann, Olena Arnakuliyeva, Caroline Korn, Arndt-Johannes Wolber (alle Violine), Sophia Reis (Viola), Renate Busse (Violoncello, kurzfristig für Johannes Kasper eingesprungen), Paul Cervenec (Kontrabass) und Wilke Lahmann (Cembalo), erfreut sich großer Beliebtheit in Walldorf und darf bei den Musiktagen nicht fehlen. Herrmann leitet nicht nur das Ensemble, das sich 2005 an der Hochschule für Musik in Karlsruhe gegründet hat, sondern spielt hier normalerweise auch Violine. Die Musikerinnen und Musiker sind ganz der historischen Aufführungspraxis verpflichtet und spielen auf Nachbauten historischer Instrumente.
Das zahlreich erschienene Publikum konnte sich über wunderbare Musik von Salieri und Komponisten aus seinem Umfeld erfreuen. Bei fast allen Werken handelte es sich um Erstaufführungen, die seit den Lebzeiten der Komponisten nicht mehr erklungen sind. Herrmann wurde vor allem in der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien fündig. Das gesamte Notenmaterial edierte er aus Handschriften. An diesem Abend stand die musikalische Sozialisation Salieris anhand von Musik aus der Wiener Hofkapelle im Mittelpunkt. Natürlich durfte ein Werk von Florian Leopold Gassmann (1729-1774), dem Förderer und Lehrer Salieris, nicht fehlen. Als echte Entdeckung erwiesen sich die Werke der Komponisten Giuseppe Bonno (1711-1788) und Leopold Hofmann (1729-1774), die dem Publikum völlig unbekannt gewesen sein dürften.
Herrmann leitete nicht nur das Ensemble einfühlsam und souverän, er führte auch aufschlussreich durch das Programm und ließ das Publikum an seinem großen musikwissenschaftlichen Wissen teilhaben. Sein Versprechen, dass es „in jeder Stimme nur so glitzern und funkeln würde“, bewahrheitete sich. Dem Publikum wurde ein wunderbarer musikalischer Kunstgenuss geboten. Mit Bonnos „Sinfonia“ aus dem Oratorium „Eleazarro“ eröffnete das Ensemble Operino schwungvoll den Abend. Mit seinem transparenten und dynamisch fein differenzierten Spiel zog es das Publikum sogleich in seinen Bann. Mit offensichtlicher Spielfreude waren die Musikerinnen und Musiker bei der Sache. Zwischen den Streicherklängen glitzerten und funkelten immer wieder die feinen silbernen Klänge des Cembalos hindurch. Die schön gestaltete Fuge im konservativem Stil weist darauf hin, dass Bonno noch im Barock sozialisiert ist. Bonno war trotz seines italienischen Namens ein in Wien geborener österreichischer Komponist, der nach dem Tod Gassmanns von 1774 bis 1788 Kapellmeister der Wiener Hofkapelle war. Seine Nachfolge trat dann Salieri an, der ihn schon zuvor öfter während krankheitsbedingter Ausfälle vertreten hatte.
Mit der „Arie des Lamecco“ aus „Eleazarro“ konnte Altus Matthias Lucht, der ebenfalls kein Unbekannter in Walldorf ist, sein Können unter Beweis stellen. Lucht, ein international bekannter Sänger, ist ebenfalls Spezialist im Bereich der historischen Aufführungspraxis. Herrmann zeigte sich erfreut, dass sich der Countertenor auf dieses außergewöhnliche Programm eingelassen hat. Sänger und Musiker harmonierten wunderbar zusammen. Die Musik floss beschwingt und tänzerisch dahin. Als Sahnehäubchen über dem Orchesterklang erwies sich die wunderbare warme und fein ausbalancierte Stimme Luchts. Er hatte viele Koloraturen zu bewältigen und improvisierte die Kadenzen kunstvoll.
In Salieris „Andante devoto“, obwohl um 1790 und damit schon in der Epoche der Klassik entstanden, sind noch barocke Stilmittel, wie eine chromatisch absteigende Basslinie, die Schmerz ausdrückte, zu beobachten. Salieri hatte offensichtlich den konservativen Stil, der in den kaiserlichen Privatandachten gewünscht war, verinnerlicht. Ruhig, getragen und melancholisch schritt das Andante dahin. Der Kontrabass trat mit seinen sehr tiefen, absteigenden Linien hervor. Diese Musik war für kleine, intime Aufführungen gedacht. In den klein besetzten Orchestern sind die Mittelstimmen sehr wichtig und haben große Anteile am musikalischen Geschehen.
Eine weitere Arie Bonnos, „Se pensi, che tu sei“ aus „San Paolo in Atene“, fand großen Anklang beim Publikum. Auch Leopold Hofmanns Adagio As-Dur für Cembalo und Streicher erwies sich als echte Entdeckung. Der damals sehr angesehene Hofmann war Kapellmeister am Stephansdom in Wien. Mozart sollte sein Nachfolger werden, starb jedoch noch vor dem viel älteren Hofmann. Hofmann war auch der Vormund von Salieris späterer Frau Theresia Helferstorfer, mit der Salieri eine glückliche Ehe führte und acht Kinder hatte. Das grandiose Werk gab Lehmann die Gelegenheit, mit seinem Cembalo-Part virtuos zu glänzen. Auch die Streicher hatten einige Herausforderungen zu meistern. Die Tonart ist schwer zu greifen, es kommen keine leeren Saiten vor. Außerdem musste oft sehr schnell der Dämpfer auf- und wieder abgesetzt werden.
Zwei Musikbeispiele von Florian Leopold Gassmann, dem Förderer und „zweiten Vater“ des jungen Salieri, erfreuten die Zuhörer. Gassmann war Kammerkomponist von Kaiser Joseph II. und ab 1772 Hofkapellmeister. Seine Musik unterscheidet sich sehr stark von der Bonnos und zeichnet sich durch eine besondere Klarheit im Satz aus. Die Harmonik ist schlichter, die Musik melodiöser und es gibt keine komplizierten Kontrapunkte mehr wie im Barock. Sein Stil ist klassischer, er ist schon ein Vertreter der neueren Zeit. Das Benedictus aus seiner Missa D-Dur mit seiner schönen und bewegenden Melodie ging zu Herzen. Wunderbar mit großen Bögen gestaltete Lucht den Gesangspart. Auch das Andante gefiel mit seiner lieblichen Melodie, die fein differenziert zum Klingen gebracht wurde.
Salieris wunderbar melodisches „Tantum ergo“ F-Dur, eines der wenigen erhaltenen Frühwerke und ebenfalls ein Beispiel für den neuen klassischen Musikstil, setzte dann einen grandiosen Schlusspunkt unter diesen außergewöhnlichen Konzertabend. Das Publikum war begeistert und bedankte sich mit langanhaltendem Applaus für diesen erlesenen Kunstgenuss.
Carmen Diemer-Stachel