05.09.2022, Kultur & Freizeit

„So schön“

Laura Braun beim Walldorfer Zeltspektakel.
Foto: Pfeifer

Begeisternder Auftritt von Laura Braun beim Zeltspektakel

 Als der Applaus durchs Zirkuszelt schallt, ehrlich, laut und lang anhaltend, huscht ein Lächeln über Laura Brauns Gesicht. Ihre Augen strahlen, die Freude ist echt. Die Liedermacherin aus Freiburg lässt sich vom leider nur mäßigen Besuch ihren Abend beim Zeltspektakel nicht vermiesen. Sie liefert dem kleinen, aber begeisterten Publikum einen starken Auftritt, der es in sich hat: Laura Braun singt nachdenkliche, oft traurige Geschichten mit meist kraftvoller, gelegentlich auch zerbrechlicher Stimme. Ganz in Schwarz gekleidet sitzt sie am Flügel, auf dem sie sich selbst mit überwiegend leisen Klavierklängen begleitet, die sich wunderbar mit ihren eindringlichen Texten ergänzen. Allein inmitten der Manege wirkt die Künstlerin aller Melancholie zum Trotz keineswegs verloren, sondern füllt mit ihrer Intensität den Raum. „So schön“, entfährt es einer Zuhörerin. „Wunderbar“, möchte man anfügen.
Dieses Jahr mit dem Förderpreis des renommierten Kleinkunstpreises des Landes Baden-Württemberg ausgezeichnet, wird Laura Braun im Herbst ihr Debütalbum veröffentlichen. Der Titel „Vom Weg ab“ scheint Programm. „Wenn man vom Weg abkommt, ist es anstrengender, aber dafür hat man die schönsten Momente“, erzählt sie von einem „wunderschönen Tag“, den sie nur deshalb erleben durfte, weil sie sich beim Abstecher vom Jakobsweg ans Meer verlaufen hatte. Sie singt: „Ich komm vom Weg ab und fühl mich sicherer als zuvor.“ Mal sind es die ganz großen Themen wie „Die Welt“, der sie etwas geben möchte, obwohl sie sich auch die Frage „Was soll ich hier?“ stellt. Dann ist die Inspiration „ein verkaterter Sonntag, an dem ich nicht wusste, ob ich den Abend zuvor bereuen sollte“. Oder sie nimmt sich ihre eigenen Fehler vor und stellt fest, dass niemand so gut darin ist, schlecht in etwas zu sein, wie sie selbst.
Das Augenzwinkern, das darin mitschwingt, ist allerdings eine Seltenheit beim Konzert im Walldorfer Zirkuszelt. Der Grundtenor ist ernst, fast düster. Wie in „Nullsummenspiel“, einem Lied, das sie gemeinsam mit ihrem Partner Jonas Vogelbacher für einen Musikwettbewerb des Sozialverbands Deutschland geschrieben hat. Die aufwühlende Auseinandersetzung mit dem Thema Armut, erzählt aus der Perspektive eines Kindes, dem Geldnot und Existenzängste seiner Mutter zu schaffen machen, wurde mit dem ersten Platz unter über 200 Einsendungen belohnt. „Das Beste ist wahrscheinlich, sich mit dem Leben zu versöhnen, das einem gegeben wurde“, philosophiert Laura Braun später am Abend und singt Zeilen wie „Was ist, wenn ich mal sterbe“ oder „Heute Nacht scheinen die Sterne für mich ganz allein“. Und: „Das Leben ist schrecklich, aber schön.“ Das bewegt, ist intensiv, man wird als Zuhörer ehrlich berührt.
Könnte man etwas besser machen? Oder nur anders? Laura Braun hat durchaus auch den Schalk im Nacken, zeigt ihre heitere Seite aber nur selten. „Ich bin in Facebook“ singt sie übers Posten und Posieren, darüber, dass im sozialen Netzwerk alle viel schöner aussehen als in der Realität und dass Dinge, die nicht mit einem Foto dokumentiert sind, wohl gar nicht passiert sein können. Dafür erntet sie auch mal Lacher und grinst am Ende fröhlich selbst. Das ist aber die Ausnahme im Programm. „Jetzt könnte mal wieder was Vergnügliches kommen“, stellt sie irgendwann fest, hat aber nichts Lustiges auf dem Zettel. Und selbst wenn ein Lied „Am Ende wird alles gut“ heißt, strahlt es doch vorwiegend Melancholie aus. Trotzdem ist am Ende alles gut, der Applaus erfüllt das Zelt, als sei es voll bis auf den letzten Platz. „Ihr wart großartig“, dankt die Sängerin und man möchte das Kompliment zurückgeben. Der ersten Zugabe folgt nach wieder viel Beifall der „wirklich letzte“ Song und nach so viel Traurigkeit ein schönes Schlusswort: „Ich wünsche euch Freude im Herzen.“